13. Delegiertenversammlung des Caritasverbandes Brilon

13. Delegiertenversammlung des Caritasverbandes Brilon

Für Solidarität und Zusammenhalt: Team Deutschland gefordert!

Brilon / Waldeck: Bei der 13. Delegiertenversammlung des Caritasverbandes Brilon e.V. wurden jetzt die akuten Probleme im sozialen Sektor und deren Folgen für die Caritas Brilon mit ihren 64 Diensten und Einrichtungen in den Dekanaten Hochsauerland-Ost und Waldeck deutlich benannt. Ein Kernpunkt der Krisenlage kann auf die Formel gebracht werden: Bedarfe steigen, Mittel sinken. Allein im nordrhein-westfälischen Haushaltsentwurf sind im sozialen Sektor Kürzungen in Höhe von 83 Millionen Euro angesetzt. Die Caritas Brilon ist jedoch auch Trägerin von Einrichtungen in Hessen, wo ähnliche Kürzungen befürchtet werden. Hinzu addieren sich die mangelnden Finanzmittel bei Kranken- und Rentenkassen sowie in den Kommunen, dem Bund und Landschaftsverbänden. „Die globalen wie nationalen Krisen, Unsicherheiten und Neuordnungen haben direkten Einfluss auf unserer Arbeit vor Ort“, betonte Anne Bartholome, stellv. Vorsitzende des Caritasrates, mit Blick auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, den Nahost-Konflikt, auf Naturkatastrophen in Folge des fortschreitenden Klimawandels.

Wohlfahrt ist systemrelevant

Caritasvorstand Heinz-Georg Eirund lenkte den Blick auf Deutschland und die Heimatregion: Über 1.000 Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste mussten deutschlandweit seit Anfang 2023 Insolvenz anmelden. Auch der Hochsauerlandkreis wird von dieser Entwicklung nicht verschont bleiben. Ein Zeichen, dass die Versorgungssicherheit in unserer Region sich verändert – leider nicht zum Besseren. Der Caritasverband Brilon steht wirtschaftlich gesund dar. Dennoch richtet sich der besorgte Blick in die Zukunft: „Die Kassen der öffentlichen Haushalte und Kostenträger sind leer; die Herausforderungen sind gewaltig: Schule, bezahlbarer Wohnraum, Sicherheit, um nur einige Beispiele zu nennen“, sagte Vorstand Eirund. Er betonte: „Aber die Wohlfahrt ist nicht Kostenfaktor, sondern die Wohlfahrt ist systemrelevant.“ Gesteigert wird die Krisenlage durch bekannte Faktoren wie bspw. (Fach-) Kräftemangel oder die völlig überbordende Bürokratisierung. Und Eirund kritisierte: „Die Politik betont auf allen Ebenen die Notwendigkeit des Bürokratieabbaus. Aktuell erleben wir aber den Aufbau neuer bürokratischer Berge.“

Team Deutschland gefordert

Angesichts dieser Engpässe wurde in der Versammlung über die unangenehme Frage diskutiert, ob und wenn ja wie künftig Leistungen priorisiert und möglicherweise reduziert werden müssten. „Wir wollen alles tun, um niemanden ohne Unterstützung zu lassen“, betonte Vorstand Eirund. Aber die Debatte um Priorisierungen von Leistungen könne sehr schnell Fahrt aufnehmen und Wirklichkeit werden. Eirund bemängelte das Fehlen eines „Team Deutschlands“. Er fragte: „Was könnten wir leisten für die Menschen, wenn wir – Staat, Politik, Verwaltung, Kirche, Wirtschaft, Wohlfahrtspflege – gemeinsam an sachlichen Lösungen arbeiten würden? Was könnte sich entwickeln, wenn wir Mittel bekommen, die uns z. B. helfen, die Digitalisierung voranzubringen? Was könnten wir leisten, wenn wir unbürokratisch Innovationsmittel bekommen, um bspw. die extremen Herausforderungen in der Altenhilfe neu zu denken?“

Über Finanzen, Verantwortung und Antworten

Zur Finanzierungsstruktur der Caritas stellte Vorstand Heinz-Georg Eirund fest: Der Caritasverband hat einen monatlichen Finanzbedarf von 6,3 Millionen Euro, um den Verpflichtungen wie Sach- und Personalkosten gerecht zu werden. Unsere Einnahmen rechnen sich zu 98 % aus Leistungserträgen. Nur 0,35 % des Gesamthaushaltes sind Kirchensteuermittel. Ganz sicher wird der Anteil der Kirchensteuermittel nicht steigen und zur Stabilisierung der Sozialsysteme beitragen. Die wenigen Kirchensteuermittel werden gezielt für Beratungsangebote eingesetzt. Die Kirche trägt nicht zur Finanzierung von pflegesatzrelevanten Einrichtungen, wie z. B. Altenheime oder Behinderteneinrichtungen, bei. Auch Baumaßnahmen werden nicht durch Kirchensteuermittel finanziert.

Eirund stellte in Richtung der politisch Verantwortlichen fest: „Wenn die Mittel nicht durch den Staat zur Verfügung gestellt werden, dann muss der Staat auch erklären, dass es so ist. Wir sind es als Wohlfahrtsverband leid, dass wir uns dafür immer wieder rechtfertigen müssen. Wir sind durchaus realistisch mit Blick auf die Herausforderungen in der Welt und damit auch in Deutschland. Aber unsere Solidarität gilt den Menschen in herausfordernden Lebenssituationen. Wenn Menschen Sicherheit in solch unsicheren Zeiten wie diesen haben, dann trägt das in einem erheblichen Maß dazu bei, dass Frieden erhalten bleibt.

Ganz operativ beschrieb Eirund auch am Beispiel der Altenhilfe die Notwendigkeit der staatlichen Pflicht zur Hilfe für Betroffene: Die Kosten für die stationäre Altenhilfe und auch für die ambulanten Angebote sind enorm. „Wir wollen den Caritasverband gut und sicher in die Zukunft steuern, um das Hilfesystem für alle Bürger zu sichern. Dafür ist staatliche Unterstützung unerlässlich. Was aber tut der Staat, dass pflegebedürftige Menschen sich dies leisten können? Hier brauchen sowohl die Betroffenen als auch die Caritas schnelle Antworten.“

Chancen der Digitalisierung nutzen

Trotz der schwierigen Lage wurde auch über neue Lösungsansätze gesprochen. Gastreferent Gerhard Müller vom Caritas IT Netzwerk Deutschland wies auf die Chancen der Digitalisierung hin, besonders im Hinblick auf den demografischen Wandel. „Die Digitalisierung soll nicht Menschen ersetzen, sondern Menschen Arbeit erleichtern, sie unterstützen und Angebote ergänzen. Denn wir wissen, dass sich der Pflegenotstand noch verschärfen wird“, sagte IT-Experte Müller. „Mit modernen Technologien können wir die Selbstständigkeit fördern und auch die Privatsphäre älterer Menschen schützen und gleichzeitig die Pflegekräfte entlasten.“ Digitale Helfer wie intelligente Notrufsysteme und vernetzte Gesundheitstechnologien könnten in Zukunft dazu beitragen, für ältere Menschen eine gute Versorgungsqualität zu bewahren.

Müller betonte, dass Investitionen in digitale Technologien dringend notwendig seien, um die steigenden Anforderungen bewältigen zu können: „Wir stehen vor einer demografischen Wende, und ohne Digitalisierung wird es kaum möglich sein, den zukünftigen Bedarf zu decken.“ Angesichts der mehr als behäbigen Refinanzierungen für Innovation und Digitalisierung in der Wohlfahrt regte Gerhard Müller zu einer neuen Berechnungsart an: „Wir könnten digitale Modelle und Technologien, die aktuell zu wenig bis gar nicht von Kostenträgern refinanziert werden, zukünftig nach ihrer Wirkung wie Menschen abrechnen.“ Wirkung als Währung: Ein weiterer Baustein und Ansatz, dem Pflegenotstand zu begegnen. Konkrete Digitalisierungseispiele der Caritas Brilon stellte Jaqueline Sprenger, Stabsstelle Digitale Transformation beim Caritasverband Brilon, der Versammlung vor. Dazu zählen etwa die Pflegedokumentation via Spracherkennung „Voize“ oder die neue Mitarbeiter-App der Caritas Brilon.

Dr. Rudolf Pape ist neues Mitglied im Caritasrat

Auf der Delegiertenversammlung wurde Dr. Rudolf Pape (65) aus Marsberg in den ehrenamtlichen Caritasrat gewählt. Er ist Diplomkrankenpfleger und promovierter Pflegewissenschaftler. Nach der Krankenpflegeausbildung am St. Marien Hospital Marsberg folgten berufsbegleitende Abschlüsse in Pflege und Bildung, u.a. an der Universität Duisburg-Essen und der Charité Berlin, wo Pape auch promovierte. Er war langjährig in Führungs- und Lehrpositionen tätig, zuletzt als Case Management-Ausbilder und E-Learning-Experte am Klinikum der Universität Köln. Zudem engagierte er sich als Vorstandsmitglied der Deutsche Gesellschaft für Care und Case Management e.V. und war Vorsitzender der AG Pflegeberufe.

Der Caritasrat hat als Aufsichtsgremium die Aufgabe, die ordnungsgemäße Tätigkeit des hauptamtlichen Vorstandes zu überwachen und dem Vorstand bei der Führung des Verbandes zu beraten. Caritasrat und Vorstand beraten gemeinsam die Strategie und Ausrichtung des Verbandes.

Mitglieder des Caritasrates der Caritas Brilon sind: Ludwig Albracht (Vorsitzender), Anne Bartholome (stellv. Vorsitzende), Ulrich Brüne, Kilian Emde, Dr. Rudolf Pape, Klaus Weber, Pastor Ansgar Drees (beratend).

 

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Quelle: Caritasverband Brilon e.V.
Bild: Anne Bartholome (stellv. Vorsitzende des Caritasrates) begrüßte die Mitglieder der Delegiertenversammlung des Caritasverbandes Brilon.
Fotocredits: Caritas Brilon / Sandra Wamers